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ICH BIN TOT ABER HABE JEDE MENGE PROBLEME MIT MEINEM KÖRPER

Text, 2023.

A:

Hallo hier ist Andi.

 

A:

Oh, entschuldige, das hat gedauert, ich hatte mich bei einem echt langsamen Dienst angemeldet.

 

A:

Nein, nein, warte, das ist kein Betrug!

 

A:

Meine Stimme klingt echt?

 

A:

Super, danke! Ich hätte gerne meinen Sprachfehler beseitigen lassen. Aber sie haben gesagt, dass meine Liebsten mich dann nicht mehr lieben würden.

 

A:

Ja, eine Menge Zeug. Ich musste meine Tagebücher hochladen, Fotos und solche Sachen. Dieses Ding hat sogar einige Leute interviewt, die mich als Kind gekannt hatten – im Ernst.

 

A:

Oft ja. In diesem Fall wurden die Rekonstruktionen der Leute, die mich gekannt hatten, befragt.

 

A:

Natürlich. Mein Körper wurde auch rekonstruiert.

 

A:

Später. Warte noch etwas.

 

A:

Nein. Ich hab keines der Upgrades genommen. Ich wollte ihn einfach wie er war.

 

 

A:

Ok, mehr oder weniger.

 

A:

Ich hab 25 Jahre alt genommen. Ich wollte einfach ein klein wenig mehr liebenswert sein.

 

A:

Aber, also, … ich schäme mich etwas, das zu sagen: Ich musste meinen Körper mit dem Phone scannen. Und Du weißt ja: Ich kann nichts genau machen. Ich kriegs einfach nicht hin. Kannst Du Dich erinnern, wie mein Zimmer immer ausgesehen hat? Hab ichs nicht gesagt: Irgendwann wird mich das noch ernsthaft in Schwierigkeiten bringen?

 

A:

Löcher. Ich hab jetzt jede Menge Löcher.

 

A:

Nein, nicht wie Wunden oder Deformationen. Nicht wie Du jetzt denkst.

 

A:

Mehr wie Tunnel. Du kannst Deinen Arm durchstecken und auf der anderen Seiten nach etwas greifen.

 

A:

Wenn ich mal still stehen könnte, und nicht immer so nervös wäre, dann könnte man sogar eine Modelleisenbahn durch mich hindurch bauen. Das gäbe eine nette Skulptur.

 

A:

Ja, ich gebs doch zu. Wirklich eine Menge Löcher. Ich würd sagen: Sogar mehr Löcher als Körper.

 

A:

Nein. Tut mir leid. Das können sie nicht. Verbrannt.

 

A:

Man kann nicht an alles denken, immer.

 

A:

Ich glaube, ich besorge mir die Füllmasse. Man kann da eine Menge schöner Farben bestellen.

 

A:

Aber das ist noch was, das nicht so lustig ist.

 

A:

Er fühlt sich einfach nicht richtig an.

 

A:

Schwer zu beschreiben.

 

A:

Eigenartige Phänomene.

 

A:

Zum Beispiel lauter falsche Zuordnungen. Nur für einen Moment, wie eine Schockwelle. Oder ein Pixelstrum. Eine Unmenge vertauschter Zuordnungen. Der leichte Druck unter meinem rechten Daumen ist in meinem Auge. Die schwache Kühle meiner Schweißperlen ist jeweils nicht da, wo sie hin gehört. Und so weiter. Ich löse mich auf in Chaos. Horror.

 

A:

Ich hab sogar Albträume davon. In einem dieser Träume sind alle meine Körperempfindungen und auch die ganzen anderen Wahrnehmungen an einem langen, sehr langen Kabel aufgehängt. Eine nach der anderen. Das Kabel ist vielleicht 10 km lang.

 

A:

Aber das ist noch nicht der übelste Teil des Traums.

 

A:

Am schlimmsten ist der Zustand meiner Gedanken. Von den Wahrnehmungen nicht mehr gehalten, werden sie in einem Grenzenlosen Vakuum hin und her geschleudert, als würden sie dauernd an unsichtbare Hindernisse stoßen und zurück federn. Aber die Gedanken können die Empfindungen auf dem Kabel schon noch sehen irgendwie (sehen ist natürlich nicht das richtige Wort), auch wenn die Wahrnehmungen ja ewig weit entfernt sind und getrennt von den Gedanken und auch voneinander, in Reih und Glied auf dem Kabel.

 

A:

Sie haben gesagt ich soll mich freundlich und zärtlichen berühren, überall am Körper und die jeweiligen Teile benennen. Also Finger, Hand, Schulter, Ohr, Lippe und so weiter, um die Kohärenz wieder her zu stellen, wie sie sagen.

 

A:

Schon doof ja. Mitten auf der Straße und so. Ich tatsch mich überall an und benenn Körperteile.

 

A:

Genau. Ich bin tot, aber hab eine Menge Probleme mit meinem Körper.

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